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Verkehrsberuhigter Geschäftsbereich Beckergrube

In einem Verkehrsversuch wird die obere Beckergrube verkehrsrechtlich in einen „verkehrsberuhigten Geschäftsbereich“ mit reduzierter Geschwindigkeit (20 km/h) umgewandelt.
Titelbild
Verkehrsberuhigter Geschäftsbereich, Urheberin: Hansestadt Lübeck, Sebastian Krabbe

Lübeck

Maßnahmentyp

Reduzierung Kfz-Durchgangsverkehr

Name des Projektes

Verkehrsberuhigter Geschäftsbereich Beckergrube

Bundesland

Schleswig-Holstein

Einwohner*innen

216,277

Besiedelung

Überwiegend städtisch

Lage

Sehr zentral

Kommune

Lübeck

Zuständige Abteilung

Dr. Julia Lindfeld, beckergrube@luebeck.de

Lokale Herausforderungen
  • Flächenkonflikte
  • Mobilitätswende umsetzen

Maßnahmenbeschreibung

Die Neugestaltung der Beckergrube wurde bei der Beschließung des Rahmenplans Innenstadt mit Mobilitätskonzept im Jahr 2019 als Schlüsselprojekt der ersten Umsetzungsstufe benannt. Die Verwaltung ist beauftragt, unter Durchführung eines Verkehrsversuchs und anschließenden freiraumplanerischen Wettbewerbs, eine Neugestaltung vorzunehmen. Übergeordnete Aufgaben sind eine Verkehrsberuhigung in Verbindung mit einer Stärkung des klimafreundlichen Verkehrs, attraktive Aufenthaltsqualitäten sowie eine baukulturelle und funktionale „Wiedereingliederung“ in die Lübecker Altstadt. Unter dem Motto „Lübeck geht los!“ startete in 2020 ein Verkehrsversuch, um die Umsetzbarkeit der verkehrlichen Zielsetzung zu prüfen. Autoverkehr ohne Ziel auf der Altstadtinsel wird umgelenkt. Der Straßenraum wurde provisorisch zurückgebaut und die freigewordenen Flächen mit temporären Maßnahmen, wie Fahrradmodulen, mobilen Baumstandorten und Sitzbänken bespielt.

Der Verkehrsversuch wurde als Planungsinstrument herangezogen, um testweise aufzuzeigen, welche Veränderungen möglich sind und wie bereits mit geringen Mitteln Qualitäten geschaffen und Problemstellungen behoben werden können. Es konnte eine Reduzierung des Verkehrsaufkommens von mehr als 50 Prozent erreicht werden. Etwa 3.000 Kfz pro Tag sind weiterhin zufahrtsberechtigt, darunter der ÖPNV, Anlieferverkehr und Anlieger*innen. Der provisorische Umbau umfasste eine Verringerung der Fahrbahnbreite von zehn auf sechs Meter, die Verlegung und den barrierefreien Ausbau der zwei Bushaltestellen sowie die Anordnung von Seitenstreifen, die als Multifunktionsflächen dem Lieferverkehr, dem Parken für Menschen mit Behinderung, Taxen sowie als Abstellfläche für Fahrräder dienen. Insgesamt wurden in diesem Zuge 19 Kurzzeitparkplätze umfunktioniert und so eine Neuaufteilung der Flächen erreicht. Zusätzlich wurden Abstellanlagen für über 100 Fahrräder installiert sowie zehn urbane Sitzmöbel und neun Bäume in großen Pflanzkisten aufgestellt. Der provisorische Umbau ist auf drei Jahre angelegt.

Bereits nach kurzer Zeit konnten Aneignungsprozesse in der Beckergrube beobachtet werden: Gastronomische Betriebe erweiterten ihre Außenbereiche, eine Initiative organisierte ein Urban Gardening-Projekt und auf einer Multifunktionsfläche finden Tanzabende und kleinere Veranstaltungen statt. Die Resonanz auf den Verkehrsversuch wurde als sehr positiv wahrgenommen. Ein gegründeter Beirat aus Anlieger*innen, Vertreter*innen der lokalen Wirtschaft, der Technischen Hochschule Lübeck und einer kritischen Fachwelt sind von Beginn konstruktive Begleiter*innen.

Der 2022 ausgelobte freiraumplanerische Wettbewerb knüpft an den Verkehrsversuch an und überträgt die bereits spürbaren positiven Entwicklungen auf die gesamte Beckergrube. Die bauliche Umsetzung des ersten, östlichen Bauabschnitts wird durch Fördermittel aus dem Bundesprogramm Nationale Projekte des Städtebaus finanziert. Auch der Straßenraum der westlichen Beckergrube soll auf ein Mindestmaß zurückgebaut werden. Es erfolgt eine Neuordnung des ruhenden Verkehrs in der gesamten Beckergrube durch Verlagerungen von Parkplatzangeboten und die Ausweisung von Ladezonen.

Der Stadtraum wird neu aufgeteilt und mit einer hochwertigen Oberflächengestaltung, vielen Baumpflanzungen und einer ästhetischen Möblierung ausgebildet. Die „zurückgewonnenen“ Flächen erhalten durch neues Stadtgrün, platzartige Aufweitungen, konsumfreie Sitzgelegenheiten sowie Aneignungsflächen für urbane Initiativen und kulturelle Angebote, heute nicht vorhandene Qualitäten. Gleichzeitig sollen die vielfältigen Nutzungen in der Beckergrube durch eine bewusste Ausbildung der Schnittstelle von bebautem und unbebautem Raum, mit Flächen für Außengastronomie und Warenauslagen und einem „Ort“ für das Stadttheater gestärkt werden.

Ziele

  • Sicherheit
  • Reduktion privater Autoverkehr (sogenannter MIV)
  • Flächengerechtigkeit
  • Priorisierung der Bedarfe des langsamen Verkehrs (zu Fuß gehende und Radfahrende)
  • Steigerung der Aufenthaltsqualität, um dem Strukturwandel zu begegnen

Ergebnisse

Im Ergebnis zeigt sich, dass mit der neuen Verkehrsführung und den begleitenden Maßnahmen eine Reduzierung des Kfz-Verkehrs um die Hälfte erfolgte, wobei die Veränderung allein durch die Herausnahme des Verkehrs ohne Ziel in der Innenstadt (Durchgangsverkehr) erreicht wurde. Dem ÖPNV sowie dem Rad- und Fußverkehr konnte eine erfahrbar höhere Priorität eingeräumt werden. Es entstanden sichere und staufreie Wegebeziehungen ohne negative Auswirkungen auf angrenzende Straßenräume. Die Ausweisung eines verkehrsberuhigten Geschäftsbereichs mit Zufahrtsbeschränkungen und einem Tempolimit von 20 km/h ist ein funktionierendes Instrument zur Umsetzung des Schlüsselprojekts Beckergrube.

Dauer: Planung und Umsetzung

2019-2025

Kosten / Mittelherkunft

7,800,000 Euro

  • Eigenmittel: 10 Prozent
  • Bundesmittel: 90 Prozent (Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen: Nationale Projekte des Städtebaus 2021):
  • Weitere Fördermittel für den 2. Bauabschnitt (z. B. Europäischer Fond für regionale Entwicklung)

Personeller Aufwand

Keine Angabe

Beteiligte Ämter

Bereich Stadtplanung und Bauordnung, Bereich Stadtgrün und Verkehr, Bereich Umwelt-, Natur- und Verbraucherschutz – Klimaleitstelle, Bereich Archäologie und Denkmalpflege, Feuerwehr, Straßenverkehrsbehörde

Beteiligte Akteur*innen

Beirat Beckergrube aus Anlieger*innen, Verwaltung und Politik, Akteur*innen: Musiker*innen des Philharmonischen Orchesters, Fridays for Future und Extinction Rebellion Lübeck, Greenpeace Lübeck, Foodsharing Lübeck e.V., Lübecker Jugendring, Netzwerk Essbare Stadt Lübeck

Kommunikation der Maßnahme

Zwei rote Hinweis-, Info- und Ausstellungscontainer mit einer wechselnden Ausstellung (das Öffnen und Schließen haben Paten übernommen), Gläserner Planungsworkshop, Informationsrunden mit Gewerbetreibenden etc., verschiedene Aktionen in der Beckergrube während des Verkehrsversuchs, Teilnahme Europäische Aktionswoche, erfolgreiche Bewerbung um Deutschen Verkehrsplanungspreis 2022.

Herausforderungen

Das Motto des Projekts – Lübeck geht los! – konnte aufgrund der durch die Covid-19 Pandemie bedingten Einschränkungen zunächst nicht in vollem Umfang umgesetzt werden. Bau- und Sanierungsmaßnahmen im direkten Umfeld schränken die Zugänglichkeit und Aufenthaltsqualität ein.

Besonderheiten

  • Evaluation
  • Beteiligung
  • Verkehrsversuch oder Modellvorhaben
  • Inklusive Maßnahme (Erhöhung Zugänge / Gerechtigkeit)
  • Spezifische Zielgruppe: Lasten- und Lieferverkehr, Tourist*innen, Sonstige Anlieger*innen

Auszeichnungen

Deutscher Verkehrsplanungspreis 2022

Quelle des Praxisbeispiels:

Hansestadt Lübeck

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